Gebrauchtteile: Die Marge am Ersatzteil und acht offene Punkte

Versicherer versuchen bei der Unfallreparatur die Instandsetzung mit gebrauchten Erstausrüster- sowie Nachbau-Ersatzteilen zu etablieren. Die Gefahren und offenen Fragen für die Werkstätten durch diesen Einsatz werden jedoch verschwiegen oder nicht beantwortet.

„Diese acht Fragen müssten zunächst beantwortet sein, um den Einsatz von Gebrauchtteilen in den Werkstätten befürworten zu können.“
Arndt Hürter ZKF-Präsident

Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik e. V. (ZKF) und die auf Initiative des Verbands vor über 25 Jahren gegründete Einkaufsgemeinschaft EUROGARANT AutoService AG äußern sich erstmals gemeinsam zur aktuellen Entwicklung des Einsatzes von Gebrauchtteilen durch die Versicherer. Hierbei wollen einige der stark unter Kostendruck leidenden Versicherungen dieses Thema mit großem Engagement verfolgen. Dabei werden aber die Einschränkungen, Entwicklungen und Problemfelder dieses Einsatzes für Betriebe nicht aufgezeigt und Vertreter der Werkstätten zur Lösungsfindung nicht mit einbezogen.

Kosteneinsparungen bei dieser neuen Vorgehensweise können sich für Versicherer nur ergeben, wenn Ersatzteile dabei in großer Zahl zum Einsatz kommen. Einige Einkaufsplattformen versuchen aus diesem Grund derzeit, im Auftrag der Versicherung oder des Schadenlenkers die Auswahl des Lieferanten, der Ersatzteilquelle oder der Qualität der Werkstatt abzunehmen und die jeweilige Bestellung automatisch durch die Versicherung oder den Schadenlenker auszulösen. Ziel dabei ist unter anderem, die Marge des Reparaturbetriebs am Ersatzteil zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis zu erhalten, um eigene Kostenvorteile zu generieren. Der ZKF sieht darin negative wirtschaftliche Folgen für seine Betriebe in Form von sinkenden Umsatzanteilen und negativer Auswirkungen auf Renditen, Finanzierungen oder Investitionen, wenn ein „Dritter“ Ersatzteile anderer Herkunft bestellt. Eine bisher beim gesteuerten Schaden stattfindende Subvention eines zu niedrigen Stundenverrechnungssatzes mit der Ersatzteilmarge kann dadurch nicht mehr stattfinden, weshalb die Stundensätze drastisch angehoben werden müssten, damit die Betriebe nicht in Existenzschwierigkeiten geraten. Diese die Teilemarge kompensierende Erhöhung des Stundensatzes beim gesteuerten Schaden kann jedoch wegen der aktuellen Situation bei den Versicherern mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Ebenfalls bestehen mögliche Nachteile für den Verbraucher und den Reparaturbetrieb durch eine bisher ungeregelte Umgangsweise mit gebrauchten oder alternativen Ersatzteilen (siehe hierzu auch den Anhang dieser Pressemitteilung: Mindestanforderungen für einen Dialog mit der Versicherungswirtschaft im Hinblick auf den Einsatz alternativer Ersatzteile).

ZKF-Präsident Arndt Hürter betont: „Hohe Ersatzteilkosten haben u. a. in den letzten Jahren Reparaturkosten in die Höhe schnellen lassen, wie der ZKF bereits ausführlich in Pressemeldungen berichtete. Laut einer aktuellen Studie des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) sind einige Original-Ersatzteile der Hersteller heute doppelt so teuer wie vor zehn Jahren. Andererseits verlangt der ZKF als Vertreter unseres Handwerks seit Jahren, dass, wenn möglich, das Reparieren vor Ersetzen Vorrang haben muss, was als die nachhaltigste Vorgehensweise überhaupt zu bewerten ist.“

Der Vorstand der EUROGARANT AutoService AG und ZKF-Ehrenpräsident Peter Börner kritisieren, dass seitens einiger Versicherer bereits Erfolgsmeldungen zum Einsatz von Gebrauchtteilen in der Presse veröffentlicht würden. Ein Versicherer spreche darin, dass „das Angebot vollständig“, „die Testphase überstanden“ oder „die Reifeprüfung abgeschlossen“ sei.

Sogar würde angeblich jeder zweite angesprochene Versicherungskunde gerne in der Unfallreparatur gebrauchte Ersatzteile verwenden. Auch böte der besagte Versicherer aktuell angeblich über 1.400 Partnerwerkstätten in der Reparatur gebrauchte Ersatzteile an. Dagegen spricht laut Börner jedoch eine aktuelle Umfrage der EUROGARANT AutoService AG im November 2024 bei ca. 450 der etwa 600 Eurogarant-Fachbetrieben, dass weder ein Betrieb in eine Testphase mit Gebrauchtteilen eingebunden war noch einer der anwesenden Unternehmer bereit wäre, sich mit dieser Thematik in der Unfallreparatur zukünftig unter den bisher gegebenen Bedingungen zu beschäftigen. „Offen bleibt auch, wie und mit welchen Werkstätten ein erfolgreicher Test oder gar eine echte Reparatur überhaupt durchgeführt wurde“, stellt Peter Börner fest.

„Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu argumentieren, um CO2 einzusparen und die Umwelt zu schonen ist grundsätzlich ein positiver Gedanke der Versicherungswirtschaft. Hier wollen sowohl ZKF als auch EUROGARANT AutoService AG maßgeblich unterstützen. Trotzdem kommt die Frage auf, ob ein Blech-Ersatzteil aus der Produktion z. B. aus Japan oder Korea einen anderen CO2-Fußabdruck hat, als ein Ersatzteil aus Rüsselsheim, das unweit von dort in Wiesbaden in einer Unfallreparatur eingesetzt wird“, so Börner. Ob es der Versicherer wirklich mit der Nachhaltigkeit ernst meine, werde sich dann herausstellen, wenn die Entscheidung bei der Reparatur zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit steht und dann doch die Wirtschaftlichkeit gewinnt. Weitere Fragen, wie zusätzliche Transportwege der Gebrauchtteile oder höhere Energieverbräuche für notwendige Zusatzarbeiten blieben von den Versicherern bisher ebenso unbeantwortet. „Fakt ist, dass keine andere Branche im Vergleich so nachhaltig ist wie die Kfz-Reparaturbranche, denn „Reparatur“ erhält das Wirtschaftsgut und wirft es nicht weg,“ so Börner. Aber Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft in der Reparaturbranche seien nur im Verbund mit einheitlichen Werten und Wegen möglich, um Vorteile für alle Beteiligten entstehen zu lassen.

Fazit des ZKF-Präsidenten Arndt Hürter: „Gemeinsam mit der EUROGARANT AutoService AG stellt der ZKF eine Mindestanforderung mit acht offenen Punkten für gebrauchte Ersatzteile.“ Diese acht Fragestellungen definieren im Sinne einer sach- und fachgerechten Reparatur Aufgaben des Versicherers oder des Schadenlenkers, um wirtschaftlichen Schaden für die Betriebe des Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerks und den Verbraucher zu begrenzen und fordern dazu auf, in den Dialog mit den Branchenverbänden einzutreten. „Diese Punkte müssten zunächst realisiert werden, um den Einsatz von Gebrauchtteilen in den Werkstätten befürworten zu können“, stellt Hürter fest. „Ansonsten werden entgangene Margen der Werkstätten zu massiven Kündigungen der Partnerverträge oder aber auch zu Betriebsschließungen führen und lassen zudem die Versicherer unter dem Licht des Greenwashings erscheinen. Dies kann nicht im Interesse der Versicherungsunternehmen bei einer angestrebten Nachhaltigkeit sein“, konstatiert der ZKF-Präsident.

Mindestanforderungen für einen Dialog mit der Versicherungswirtschaft im Hinblick auf den Einsatz alternativer Ersatzteile.

1. Grund für den Einsatz: Ein gebrauchtes Ersatzteil wird nach der Verwendung in der Reparatur mindestens die doppelte Schichtdicke aufweisen. Bei der Leasingrückgabe oder auch Gebrauchtwagen-Inzahlungnahme erfolgt eine kurze Schichtdickenmessung mit dem Ergebnis der „unsachgemäßen und fachlich nicht einwandfreien Reparatur“. Die ausführende Werkstatt wird anschließend in die Pflicht der Nachbesserung oder in Schadenersatzansprüche des Leasingnehmers oder Eigentümers genommen. Dieser zusätzliche Minderwert stellt neben des merkantilen Minderwerts eines reparierten Fahrzeugs einen weiteren technischen Minderwert wegen der doppelten und dreifachen Lackierung und eines möglicherweise älteren Ersatzteils als das Fahrzeug selbst dar. Fährt der Kunde nach der Reparatur zur Begutachtung in einen der 15.000 Markenbetriebe oder zu einer Prüforganisation, ist die Antwort nicht überraschend und es könnte ein unnötiger Rechtsstreit entstehen. Unbeantwortet bleibt ebenso: Wie ist die Wahrnehmung des „Gebrauchtteils“ für ein Amtsgericht? Stellt diese die Form einer Billigreparatur dar oder wird diese als nachhaltige und gute Entscheidung eingeordnet? Zertifikate können Lösungsansätze darstellen, die technischen Minderwerte am reparierten Fahrzeug decken und die Erklärung übernehmen.

2. Alter und Garantieversprechen: Wie alt ist das zum Einsatz gekommene und gebrauchte Ersatzteil und soll die Werkstatt in ein neu startendes Garantieversprechen eintreten, ohne zu wissen, welchen Weg das Teil bisher genommen hat? Bei geforderten drei bis sechs Jahren auf die Reparatur ist dies unmöglich und muss von dem Prozessbeteiligten übernommen werden, der die Wahl und die Entscheidung traf. Eine schriftliche Erklärung zur Übernahme aller Wertminderungen sowie eine Deklaration des Alters und der Qualität des gewünschten Ersatzteiles ist die Mindestvoraussetzung.

3. Herkunft, Zustand und Schadenersatzansprüche: Ist es für die Werkstatt möglich, bei einem gebrauchten Ersatzteil die Herkunft einwandfrei zu erkennen und bei Aftermarket-Ersatzteilen sicherzustellen, ob das Teil den gleichen Anforderungen wie das Originalersatzteil entspricht? Ist erkennbar, dass bei einem geschraubten Querträger Verspannungen, Stauchungen, Risse oder Verformungen ausgeschlossen werden können? In einem Zertifikat müssen schriftliche Erklärungen mit Begründungen erkennbar sein, dass verwendete gebrauchte oder anderweitig beschaffte Ersatzteile sich in einem absolut einwandfreien Zustand befinden, keine Haarrisse enthalten, nicht verbogen, gestaucht oder gequetscht sind und für den Einsatz nach den Vorgaben des Fahrzeughersteller geeignet sind. Im Falle eines Versagens des Bauteils, einer Sicherheitseinrichtung (Airbag, Bremsassistent) oder eines technischen Minderwerts hat der jeweilige Befürworter die vollen Schadenersatzansprüche zu übernehmen und dies im Zertifikat deutlich zu machen.

4. Ursprungszustand von Ersatzteilen: Elektronische Bauteile (alle mit einem Steuergerät) sind in vielen Fällen mit den Steuergeräten des Fahrzeuges „verheiratet“. Dies kann bei bereits ausgebauten gebrauchten Ersatzteilen oder bei einigen Marken nicht aufgelöst werden. Gebrauchte elektronische Bauteile müssen auf den Ursprungszustand ohne VIN-Eintragung zurückgestellt werden, bevor sie zum Einsatz in der Werkstatt kommen.

5. Ausschluss von sicherheitsrelevanten Bauteilen: Tragende und sicherheitsrelevante Bauteile müssen aus diesem gesamten Verwendungsprozess ausgeschlossen werden.

6. Definition von Verantwortung bei der Verwendung: Wer entscheidet über die Verwendung eines gebrauchten Ersatzteiles? Zu definieren ist, welche Verantwortung beide Parteien übernehmen und wer die Rechnung bezahlt. Die auskömmliche Marge für die Werkstatt muss auch für zusätzliche Arbeiten an diesen Teilen gelten.

7. Kalkulation von zusätzlichen Kosten: Eine gebrauchte Heckklappe oder Tür ist bestückt mit Anbauteilen, Scheibe, Griff, Verkleidung, Kamera, Wischer, Spoiler u. v. m. Dies führt zu Nachteilen für die Werkstatt und verursacht zusätzliche Zeit und Kosten für Montage und Entsorgung sowie das Handling. Für eine farblichen Übereinstimmung des gebrauchten Teiles und Fahrzeuges wird immer eine Lackierung erforderlich sein. Anbauteile müssen demontiert werden und die im Unfallfahrzeug eingebauten Montageteile kommen immer zum erneuten Einsatz und nicht die des gebrauchten Teiles.

8. Erhalt der Marge bei Ersatzteilen: Die wichtige Ersatzteilmarge für gebrauchte und Erstausrüsterersatzteile bei der Rendite muss vergleichbar bleiben, da bei Betrieben ansonsten Gewinnmargen sinken.

Das 8-Punkte-Papier zum Download