VDA-Präsidentin Müller zur Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts
Hildegard Müller, VDA-Präsidentin, meint: „Die Analyse im Jahreswirtschaftsbericht – und die Ansätze von Antworten – werden der Brisanz der Entwicklung enttäuschenderweise nicht gerecht.“
Hildegard Müller: „Der Jahreswirtschaftsbericht bestätigt richtigerweise die Dringlichkeit von Reformen und einem Kurswechsel der deutschen Wirtschaftspolitik, lässt es dabei allerdings an umfassenden Reformvorschlägen fehlen. Die Prognosen geben leider keinen Grund zur Hoffnung, wir entgehen nur knapp einer erneuten Rezession und bilden damit bedauerlicherweise das Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa.
Die Analyse im Jahreswirtschaftsbericht – und die Ansätze von Antworten – werden der Brisanz der Entwicklung enttäuschenderweise nicht gerecht. Zweifellos haben wir schwierige Rahmenbedingungen und belastende exogene Faktoren – diese sind allerdings nicht auf den Standort Deutschland beschränkt. Die generell sich stets verschlechternde Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts wird lediglich mit dem Hinweis auf „strukturelle Herausforderungen“, die sich angestaut hätten, thematisiert. Fakt ist: im internationalen Vergleich fallen wir zunehmend zurück, weil der Standort Deutschland insgesamt massiv an Attraktivität verloren hat und weiter verliert. Der Gefahr einer Deindustrialisierung müssen wir uns entschlossen mit konkreten Maßnahmen entgegenstellen.
Es ist angesichts der aktuellen Lage, der deutlichen Worte und Warnungen aus Wirtschaft und Wissenschaft, unverständlich, dass die Notwendigkeit von grundsätzlichen Reformen und Entscheidungen nicht erkannt und benannt wurde. Entsprechend bleiben auch die Maßnahmen, die die Bundesregierung in dem Bericht auflistet, hinter dem zurück, was jetzt erforderlich wäre. Zwar werden richtige und wichtige Felder adressiert – wie z. B. das Wachstumschancengesetz zur Stärkung der Innovationsdynamik, das Bürokratieentlastungsgesetz und die Bürokratiepraxischecks, das Strompreispaket, die verbesserten Erwerbsanreize für Ältere und Zweitverdiener oder auch die Stärkung der Resilienz durch den Abschluss von Handelsabkommen – doch das ist nicht genug. Neben der Tatsache, dass bei vielen Ankündigungen auch eine zeitnahe Umsetzung folgen muss, reichen diese Maßnahmen nicht aus.
Es fehlt weiterhin der Befreiungsschlag, eine mutige und umfassende Agenda, die uns in Sachen Wettbewerbsfähigkeit wieder an die internationale Spitze bringt. Es stellt sich leider noch immer die Frage, ob die Bundesregierung den Ernst der Lage wirklich erkannt hat.
Mit dem Blick auf den Hochlauf der E-Mobilität erwähnt der Bericht, dass Bundesregierung, Automobilhersteller und Gewerkschaften sich das „gemeinsame Ziel“ gesetzt hätten, dass in Deutschland „bis 2030 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind“. Dieses Ziel wurde politisch vorgegeben. Wir leisten unseren Beitrag und haben alle Voraussetzungen dafür geschafft. Von 2024 bis 2028 werden die Hersteller und Zulieferer der deutschen Automobilindustrie weltweit rund 280 Mrd. in Forschung und Entwicklung investieren. Der Fokus liegt auf der Transformation, insbesondere der Elektromobilität inklusive Batterietechnik, dem autonomen Fahren sowie der Digitalisierung. Allein die deutschen Hersteller werden bis zum Jahr 2030 deutlich mehr als 15 Mio. E-Autos produzieren. In welchen Märkten sie abgesetzt und wo sie gebaut werden, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab. Dass die Bundesregierung, wie im Bericht erwähnt „alles Notwendige tut, um dieses Ziel zu erreichen“, steht nicht im Einklang mit der abrupten Abschaffung des Umweltbonus, dem immer noch zu langsamen Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur oder auch der fehlenden Strategie für günstigere Energiepreise.“