Sauberer Cocktail für die Oldies
Oldtimer-Fans setzen Hoffnungen auf den klimaneutralen Kraftstoff „E-Fuel“, um in Zukunft die Treibstofftanks füllen zu können. Doch vertragen solche rollenden Museumstücke den neuartigen, aus Wasserstoff oder anderen nachhaltigen Quellen gewonnenen Sprit überhaupt?
„E-Fuels werden uns dabei helfen, unser automobiles Erbe auf der Straße zu erhalten, ohne die CO2-Bilanz negativ zu beeinflussen."
Der steife Gegenwind findet seinen Weg um die beiden kleinen Windschutzscheiben herum, durchwühlt das Haupthaar und lässt die Augen tränen. Von vorn aus der langen Motorhaube mit den vielen Lüftungsschlitzen heraus trompetet die Musik des 4,5-Liter-Vierzylinders mit den damals revolutionären Kolben aus Aluminium. Der britische Bentley mit der Bezeichnung „4 ½ Litre“ ist schon 91 Jahre alt, verbringt seinen Ruhestand zumeist unter dem schützenden Dach des größten Oldie-Museums Europas, dem „PS.Speicher“ im niedersächsischen Einbeck.
Jetzt ist der 130-PS-Roadster für den ACV (Automobil-Club Verkehr) und eben jenem Auto-Museum als Testobjekt unterwegs. Zusammen mit drei weiteren Veteranen verschiedener Epochen soll herausgefunden werden, wie die Motoren der betagten Autos den weitgehend klimaneutralen neuartigen Kraftstoff E-Fuel vertragen. Der Hintergrund: Das EU-Verbot für Verbrenner-Autos ab 2035 soll zwar nur für Neuzulassungen gelten, gewährt bereits genutzten Fahrzeuge Bestandsschutz.
Vor allem auf deutsches Drängen hin hatte die EU ein Schlupfloch geöffnet. Verbrenner-Autos dürfen dann neu in den Verkehr kommen, wenn sie ausschließlich mit „E-Fuel“ betankt werden. Der wird aus Wasserstoff oder anderen nachhaltigen Quellen wie Biomasse gewonnen. Da für die Herstellung der Umgebungsluft CO2 entnommen wird, das dann im Fahrbetrieb als Abgas wieder ausgestoßen wird, gilt der Treibstoff als „neutral“. Die Herstellung aller Verfahren ist derzeit extrem teuer, könnte nur durch massenhafte Produktion auf ein erträgliches Maß sinken.
Die derzeit knapp 800.000 aktuell betriebenen Oldtimer in Deutschland, die dank jenes Bestandsschutzes weiterhin fossil tanken dürfen, sind eigentlich fein heraus. Doch viele ältere Fahrzeuge, die sich ab 2035 um ein H-Kennzeichen bewerben werden, waren zuvor zum Beispiel für eine aufwendige Restaurierung abgemeldet worden oder wurden aus dem Ausland importiert. Sie könnten also als „Neuzulassung“ gelten und dürften kein Benzin oder Diesel tanken. Lars Genild, Vizepräsident der weltweiten Oldtimer-Organisation FIVA, sieht in der EU--Entscheidung dennoch kein Problem. „E-Fuels werden uns dabei helfen, unser automobiles Erbe auf der Straße zu erhalten, ohne die CO2-Bilanz negativ zu beeinflussen."
„Unsere Oldtimer-Ausfahrt hat gezeigt, dass sich selbst über 100 Jahre alte Fahrzeuge mit E-Fuels betreiben lassen.“
ACV-Geschäftsführer Holger Küster sieht das ähnlich: Unsere Oldtimer-Ausfahrt hat gezeigt, dass sich selbst über 100 Jahre alte Fahrzeuge mit E-Fuels betreiben lassen.“ Für die Tour der Veteranen standen 500 Liter des synthetischen Kraftstoffs bereit. Die vier Probanden, neben dem Bentley auch ein französischer Delahaye aus dem Jahr 1899, ein 46 Jahre alter VW-T2 Bus von Westfalia und ein 1984 gebauter BMW M 635 CSI, konsumierten das moderne „Gebräu“ klaglos und verlangten nur einen Eingriff in die Zündung. Lothar Meyer-Mertel, der Geschäftsführer des Einbecker Oldie-Museums, das drei die Autos auf die Reise schickte, zieht Bilanz: „Die Leidenschaft und die Freude an der historischen Mobilität müssen erhalten bleiben. Das geht aber nur, wenn wir Möglichkeiten finden, die Oldtimer C02- emissionsfrei- und umweltgerecht zu betreiben.“